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6 Min. Lesezeit
Dr. Andreas Romberg : 12.06.24 15:30
Lean Management (auf Deutsch „schlankes Management) ist ein Management-Framework, der darauf abzielt, die Effizienz und Produktivität in allen Funktionen sowie Prozessen von Unternehmen kontinuierlich zu verbessern.
Es handelt sich um einen der bedeutendsten Ansätze im Streben nach Operational Excellence (OPEX).
Der Fokus von Lean Management liegt dabei auf Kundenorientierung und Kostenreduzierung. Erreicht werden soll dies, indem Verschwendung im gesamten Unternehmen reduziert wird.
Unter Verschwendung werden hierbei die nicht wertschöpfenden Arbeitsanteile verstanden, die keinen (Mehr-)Wert für das Produkt oder die Dienstleistung ergeben und wofür der Kunde nicht bereit ist zu bezahlen.
Der Begriff "Lean" stammt ursprünglich aus dem Toyota-Produktionssystem (TPS), das in den 1950er Jahren nach dem 2. Weltkrieg in Folge der vorherrschenden allgemeinen Ressourcenknappheit in Japan entwickelt wurde. Anwendung fand die Lean-Philosophie zunächst nur im Produktions- und Logistikmanagement.
Die Ideen hinter Lean Management wurden seitdem sukzessive auf viele verschiedene Geschäftsbereiche und Branchen ausgeweitet. Inzwischen wird die Unternehmensphilosophie in den unterschiedlichsten Branchen wie Automobil, Dienstleistungen, Gesundheitswesen oder Aerospace sowie in so gut wie allen Unternehmensbereichen angewendet.
Lean Management zielt darauf ab, durch die ganzheitliche Anwendung verschiedener Denkprinzipien, Lean Methoden und Verfahrensweisen die gesamte Wertschöpfungskette effizienter zu gestalten.
Dadurch wird ermöglicht:
Lean Management bietet grundsätzlich eine Vielzahl von Vorteilen für Unternehmen, unabhängig von ihrer Branche, Größe, geographischen und kulturellen Rahmenbedingungen.
Insgesamt trägt Lean Management dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu stärken, indem es sie flexibler, agiler, effizienter und kundenorientierter macht.
In Folgenden sind die wesentlichen Hauptnutzen von Lean Management zusammengefasst:
Abbildung 1: Die sieben Kernnutzen von Lean Management; Quelle: Staufen.ValueStreamer GmbH
Effizienzsteigerung:
Durch die Identifikation und Beseitigung von Verschwendung können Unternehmen ihre Prozesse optimieren und effizienter gestalten. Dies führt zu kürzeren Durchlaufzeiten, geringeren Lagerbeständen und einer verbesserten Nutzung von Ressourcen.
Qualitätsverbesserung:
Das Management fördert eine ständige Fokussierung auf die Wertschöpfung und die Vermeidung von Verschwendung. Dies trägt dazu bei, die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen zu erhöhen und Defekte zu minimieren.
Kostenreduktion:
Durch die Reduzierung von Verschwendung, Überproduktion und Lagerbeständen können Unternehmen ihre Kosten senken. Dies führt zu einer besseren finanziellen Performance und Wettbewerbsfähigkeit.
Kundenorientierung:
Lean Management legt einen starken Fokus auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden. Indem Unternehmen ihre Prozesse auf die Wertschöpfung für den Kunden ausrichten, können sie die Kundenzufriedenheit steigern und Wettbewerbsvorteile erzielen.
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
Das Streben nach Störungsfreiheit, die Schaffung von Fluss sowie die Taktung von Arbeitssystemen und die Implementierung des Pull-Prinzips (vgl. Abbildung 2) ermöglichen es Unternehmen, flexibler auf Schwankungen in der Nachfrage zu reagieren. Dies verbessert die Anpassungsfähigkeit und ermöglicht eine schnellere Reaktion auf Veränderungen im Markt.
Mitarbeiterengagement:
Lean Management betont die Beteiligung der Mitarbeiter an Verbesserungsprozessen. Dies trägt dazu bei, das Engagement der Mitarbeiter zu erhöhen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung zu fördern.
Kurze Markteinführungszeiten:
Die Effizienzsteigerungen und die Reduzierung von Verschwendung ermöglichen es Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen schneller auf den Markt zu bringen, was besonders in schnelllebigen Branchen von Vorteil ist.
Erhöhte, verbesserte Innovationsfähigkeit:
Durch die Beseitigung von Verschwendung und ineffizienten Prozessen können Ressourcen freigesetzt werden, die für innovative Projekte und Produktentwicklungen genutzt werden können.
Die zentralen Prinzipien des Lean Managements umfassen u.a. die vier Kriterien eines schlanken Arbeits-Systems (vgl. Abbildung 2) und lassen sich wie im Nachfolgenden beschrieben zusammenfassen.
1. Störungsfreiheit:
Lean Management strebt im Kontext der Vermeidung von Verschwendung permanent auch nach Vermeidung/Reduzierung von Störungen.
Abbildung 2: Die vier Lean-Kriterien eines schlanken Arbeits-Systems; Quelle: Staufen.ValueStreamer GmbH
2. Schaffung von Fluss (Flow):
Optimierung der Arbeitsabläufe und Prozesse, um einen kontinuierlichen Fluss von Wertschöpfung zu ermöglichen, ohne Unterbrechungen, Wartezeiten oder Engpässe.
3. Rhythmus/ Taktung:
Produktionsprozesse unterliegen i.d.R. einer Taktung, die sich am Kundentakt orientiert, um im Einklang mit dem Kunden einen kontinuierlichen Fluss von Wertschöpfung zu ermöglichen.
Auch in Officeprozessen macht es sehr viel Sinn die Arbeitssysteme, wie z.B. Produktentwicklung oder Auftragsabwicklung im Sondermaschinenbau einer Taktung zu unterwerfen, um z.B. in einem Wochentakt die Prozess-/Projektergebnisse einem regelmäßigen Soll-Ist-Abgleich zu unterziehen. Damit wird zeitnahes Abweichungsmanagement möglich. In diesem Kontext findet auch die zentrale Führungsmethode von Lean Management - das Shopfloor Management - einen exponierten Einsatz.
4. Sog/ Pull-Prinzip:
Optimierung der Arbeitsabläufe und Prozesse, um einen kontinuierlichen Fluss von Wertschöpfung zu ermöglichen, ohne Unterbrechungen, Wartezeiten oder Engpässe.
Perfektionierung durch das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung (Jap. KAIZEN).
Die Idee der ständigen Verbesserung ist ein zentrales Konzept im Lean Management. Mitarbeiter werden ermutigt, kontinuierlich nach Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Arbeit und Prozesse zu suchen.
5. Wertschöpfungserbringung erfolgt immer aus der Perspektive des Kunden
Fokussierung auf die Schaffung von Wert aus der Perspektive des Kunden. Alles, was nicht zur Wertschöpfung beiträgt und wofür somit der Kunde nicht bereit ist zu bezahlen, wird als Verschwendung betrachtet und sollte minimiert oder eliminiert werden.
6. Identifikation und Reduzierung von Verschwendung (Japanisch: MUDA)
Verschwendung bezieht sich auf alle Aktivitäten, Ressourcen oder Prozesse, die keinen direkten Wert für den Kunden schaffen. Hierzu gehören Überproduktion, Lagerbestände, übermäßige Transporte, Wartezeiten, unnötige Bewegungen, Überbearbeitung und Defekte.
7. Respekt vor den Menschen
Anerkennung der Bedeutung und des Potenzials der Mitarbeiter; Lean Management betont die Zusammenarbeit, Führung, Schulung und Einbindung der Mitarbeiter in den Verbesserungsprozess.
Es gibt verschiedene Methoden und Werkzeuge im Lean Management, die dazu dienen, Verschwendung zu reduzieren, Prozesse zu optimieren und eine kontinuierliche Verbesserung zu fördern. Die Methoden können individuell oder in Kombination angewendet werden, abhängig von den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen eines Unternehmens.
Der Schlüssel liegt in der kontinuierlichen Anwendung und Anpassung dieser Methoden, um eine nachhaltige Verbesserung zu erreichen.
Nachfolgend sind die wichtigsten Methoden aufgelistet.
Methode | Beschreibung |
5S- Methode |
|
Kanban |
Ein System zur Steuerung und Optimierung von Produktionsprozessen durch visuelle Steuerung von Arbeitsabläufen. Kanban verwendet Karten oder digitale Systeme, um den Fortschritt und den Bedarf an Ressourcen sichtbar zu machen. |
Kaizen |
Kontinuierliche Verbesserung durch kleine, inkrementelle Schritte. Mitarbeiter werden ermutigt, regelmäßig Vorschläge zur Prozessoptimierung zu machen, um die Effizienz zu steigern. |
Wertstromanalyse |
Eine Methode zur Identifikation, Analyse und Verbesserung der Abläufe, die erforderlich sind, um ein Produkt oder eine Dienstleistung bereitzustellen. Sie hilft, den Wertstrom zu optimieren und Verschwendung zu eliminieren. |
Pull-System |
Produktion basierend auf der tatsächlichen Kundennachfrage. Produkte oder Dienstleistungen werden erst dann erstellt, wenn sie benötigt werden, um Überproduktion zu vermeiden. |
Just-in-Time (JIT) |
Die Bereitstellung von Materialien, Produkten oder Dienstleistungen genau dann, wenn sie benötigt werden, ohne unnötige Lagerbestände. |
Poka-Yoke |
Die Implementierung von Fehlervermeidungstechniken, um menschliche Fehler in Prozessen zu minimieren. Dies kann durch verbesserte Prozessdesigns oder den Einsatz von Vorrichtungen erreicht werden. |
Andon |
Ein visuelles Steuerungssystem, das verwendet wird, um den Status von Maschinen oder Prozessen anzuzeigen. Es ermöglicht es den Mitarbeitern, Probleme schnell zu erkennen und darauf zu reagieren. |
SMED |
Eine Methode zur Reduzierung der Rüstzeiten bei Maschinen und Ausrüstungen, um die Flexibilität und Produktionskapazität zu erhöhen. Liefert auch einen immensen Beitrag zur Senkung der Lagerbestände und ermöglich Pull-Steuerung auf Basis kleinster Lose. |
Hoshin Kanri (Policy Deployment) |
Eine Methode zur strategischen Planung und Umsetzung, die sicherstellt, dass alle Ebenen eines Unternehmens auf die gleichen Ziele ausgerichtet sind. |
Nachfolgend sind einige Beispiele dargestellt, wie Lean Management in verschiedenen Branchen und Unternehmensbereichen in der Praxis angewendet wird:
Produktion und Fertigung (Lean Production):
Anwendung von Kanban: Implementierung von Kanban-Systemen, um den Materialfluss zu steuern, Lagerbestände zu reduzieren und den Produktionsprozess nach dem Pull-Prinzip zu optimieren.
Wertstromanalyse: Identifikation von Engpässen und Verschwendungen in der Produktionskette, um Prozesse zu verbessern und Durchlaufzeiten zu verkürzen.
5S-Methode: Organisierung und Standardisierung von Arbeitsplätzen, um die Effizienz zu steigern und die Arbeitsumgebung zu optimieren.
Dienstleistungssektor:
Prozessoptimierung in der Kundenbetreuung: Anwendung von Lean-Methoden, um die Bearbeitungszeiten von Kundenanfragen zu verkürzen und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.
Wertstromanalyse im Gesundheitswesen: Identifikation von Engpässen in der Patientenversorgung und Reduzierung von Wartezeiten in Krankenhäusern.
Kanban im Finanzwesen: Verwendung von Kanban, um den Zahlungsprozess zu steuern und Engpässe in der Finanzabteilung zu minimieren.
Logistik und Lieferkettenmanagement (Lean Supply Chain):
Just-in-Time (JIT) in der Lagerhaltung: Minimierung von Lagerbeständen und Bereitstellung von Materialien oder Produkten, wenn sie benötigt werden.
Wertstromanalyse in der Lieferkette: Optimierung der Lieferkette durch Identifikation von Engpässen und Verschwendungen.
Informationstechnologie und Softwareentwicklung:
Agile Methoden: Integration von agilen Prinzipien, wie Scrum, um iterative und flexible Softwareentwicklung zu ermöglichen.
Kanban-Boards für Aufgabenmanagement: Visualisierung von Arbeitsaufträgen und Fortschritten durch Kanban-Boards, um den Arbeitsfluss zu verbessern.
Gesundheitswesen (Lean Healthcare):
Poka-Yoke in der Patientenpflege: Anwendung von Fehlervermeidungstechniken, um die Qualität der Patientenversorgung zu erhöhen.
Kaizen-Workshops: Einführung von regelmäßigen Verbesserungsworkshops, um Mitarbeiter aktiv in den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung einzubeziehen.
Büro- und Verwaltungsprozesse (Lean Administration):
Anwendung von 5S im Büro: Organisation und Strukturierung von Büroumgebungen, um die Effizienz von Verwaltungsprozessen zu steigern.
Kanban für Projektmanagement: Nutzung von Kanban-Prinzipien für die Kollaborationssteuerung im (Multi-)Projektmanagement, um Aufgaben zu visualisieren und den Arbeitsfluss zu optimieren.
Kleinunternehmen und Start-ups (Lean Startup):
Lean-Startup-Methoden: Anwendung von Lean-Prinzipien, um iterativ Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln und schnell auf Kundenfeedback zu reagieren.
One-Piece-Flow: Implementierung von One-Piece-Flow-Prinzipien, um die Effizienz von Produktions- oder Serviceprozessen zu maximieren.
Diese Beispiele zeigen, dass Lean Management vielseitig anwendbar ist und sich auf verschiedene Unternehmensbereiche erstrecken kann. Der Schlüssel liegt darin, die Lean-Prinzipien und -Methoden an die spezifischen Anforderungen und Gegebenheiten des jeweiligen Bereichs anzupassen.
Gleichzeitig stellt Lean Management die Grundlage für die Einführung weiterer Methoden, wie z.B. Agilität/agiles Arbeiten, Digitalisierung usw. dar. Denn ohne das Ordnende, Standardisierende und permanent Verbessernde hinter der Lean Management Philosophie sind die weiterführenden Transformationen und Transitionen nicht möglich.
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