Keith Richards erzählte Peter Jennings im Interview mit dem Rolling Stone folgende Geschichte: "Ein betrunkener Jagger hatte Watts aufgebracht, indem er sein Hotelzimmer anrief und wiederholt rief: 'Wo ist mein Schlagzeuger?' Egal in welchem Zusammenhang Mick das gesagt hatte, es kam bei Watts offenbar nicht gut an, der zum Hotelzimmer des Sängers marschierte, um ihm eine Lektion zu erteilen, die er nicht so schnell vergessen würde. Ungefähr 20 Minuten später, sagte Richards, klopfte es an der Tür. 'Da stand Charlie Watts, im Savile-Row-Anzug, perfekt gekleidet, mit Krawatte, rasiert, das volle Programm,' schrieb er. 'Ich öffnete die Tür, und er sah mich nicht einmal an, ging direkt an mir vorbei, packte Mick und sagte: „Nenn mich nie wieder deinen Schlagzeuger. Du bist mein verdammter Sänger!“ Dann hob er ihn an den Revers meiner Jacke hoch und verpasste ihm einen rechten Haken.' Er fügte hinzu: 'Mick fiel rückwärts auf eine silberne Platte mit Räucherlachs und rutschte auf das offene Fenster und den darunterliegenden Kanal zu... Es braucht eine Menge, um diesen Mann aufzubringen.'"
Mick Jagger´s Rolle als Bandchef zu diesem Zeitpunkt war bei allen Mitgliedern der Gruppe akzeptiert. Charlie Watts dazu in einem späteren Interview: „Wenn ich die Rolling Stones geleitet hätte, wären sie nicht weitergekommen. Wir würden immer noch herumlaufen und versuchen, einen Verstärker zu finden, 30 Jahre später.“
Jagger hatte sich zum Zeitpunkt des Eklats vorbildlich gekümmert um Finanzen, Touren und Publicity – und das zusätzlich zum Job als Frontman. Aber sein Ego war langsam außer Kontrolle geraten. Richards: „Er hat uns wie seine Dienstboten behandelt, und während ich meinen Zorn mit White Russians und Bourbon wegtrank, brodelte es immer mehr bei Charlie Watts, der keinen Trost in Alkohol und Drogen fand.“ Bis es schließlich zum Eklat kam. Dem Kopf der Band wurde gehörig der Kopf gewaschen, und das vor versammelter Mannschaft.
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Jagger musste gewaltig umdenken: er musste eingestehen, daß seine Arroganz grundlos war, er musste zugeben, daß er ohne die Hilfe seiner Bandkollegen niemals so weit gekommen wäre, und er musste lernen, seine Wertschätzung zu zeigen, indem er ein echter Teamplayer wurde. Jagger erkannte sehr schnell, daß der Ton die Musik macht. Er änderte daraufhin seinen “Führungsstil”, indem er seine Soft Skills trainierte. Die Rolling Stones existieren immer noch und Charlie Watts blieb bis zu seinem Tod Teil der Band.
Simon Sinek, US-amerikanischer Autor und Unternehmensberater, hat sich viele Jahre mit den “Soft Skills” im internationalen Unternehmens-Umfeld beschäftigt. Themen wie die Rolle der Führung bei großen Unternehmen und die Team-Fähigkeit von Führungskräften sind integraler Bestandteil von Sinek´s langjähriger Recherche und Analyse. In seiner Zusammenarbeit mit Unternehmen und Organisationen weltweit war ihm eine Sache besonders aufgefallen: einige Teams hatten so ein kompromissloses Vertrauen zueinander, dass sie buchstäblich ihr Leben für die Anderen opfern würden. Andere Teams dagegen waren gefangen im Sog von Missachtung, Neid und Missgunst, und sie waren – schlussendlich – zum Scheitern verurteilt (nachzulesen im Buch „Leaders eat last“ von Simon Sinek).
Nach genauerer Recherche war die Antwort meistens: Der „Chef“ dieser Teams war nicht in der Lage, seine Funktion als Teamleader richtig wahrzunehmen. Das Team hatte ihn als Leader nicht akzeptiert. Ein designierter Chef ist nicht gleich die treibende Kraft des Unternehmens.
Die Quintessenz der modernen Führung basiert, wie jegliche, menschliche Zusammenkunft, stark auf Vertrauen, einer gewissen emotionalen Verbundenheit und Akzeptanz aller zusammenarbeitenden Fachkräfte innerhalb von Organisationen. Wertschätzung anderer und Grundvertrauen in ihre Fähigkeiten führt zu einer Kultur von offener Kommunikation, Risikobereitschaft und – letztendlich – innovativem Denken. Dass dabei ein „Leader“ nicht nur Befehle erteilt, sondern die Bedürfnisse des Teams versteht, Unterstützung bietet und soziale Verantwortung zeigt, ist ein grundsätzlicher Bestandteil vom Erfolgsmodell. Erst wenn er diese Voraussetzungen erfüllt, kann ein Chef zum akzeptierten Leader werden – und erst dann kann eine innovative Unternehmenskultur entstehen. Mick Jagger wurde letztendlich von seinem eigenen Team ausgebildet zu einem echten Leader. Er hatte Glück, daß sein Team ihm nochmal eine zweite Chance gab. Er nutzte sie – nachhaltig 😉
Der Geschäftsführer eines mittelständischen Entwicklers und Herstellers zukunftsgerichteter Küchen-Applikationen, sagte mir neulich einmal: „Das ist wie mit Gemüse, auf einem trockenen, rissigen Acker für Mono-Kulturen, werden keine ergiebigen Erträge heranwachsen.“ Das Umfeld der Rolling Stones ist sicherlich ein besonderes, sowohl für die Stones, als auch für die Fans. Aber die Perspektive bzw. die Fähigkeit, sich in die Perspektive des anderen versetzen zu können, ist beim Thema Leadership die halbe Miete. Der Rest waren bzw. sind nach wie vor eine der erfolgreichsten "Business Cases" in der Musikgeschichte.